Ich sitze auf meinem Regiestuhl, der mit auf die Reise ging – ein Geschenk einer langen vergangenen Theater-AG zum Abschied. Vor mir dampft auf dem Teller ein Haufen Pfannenkuchen – Haufen ist korrekt, denn ich war nicht in der Lage, sie elegant und komplett zu wenden. Sie schmecken mit Apfelmus dennoch köstlich. Beim Schmausen blicke ich auf sanfte, grüne Hügel, auf denen weiße Kühe im Sonnenuntergang grasen. Ihre Glocken klingen wohlig durch die Abendluft. Dahinter kühne, bewaldete Gipfel. Ich könnte in Österreich sein.

Zurück zum Morgen: Der gute Gaspard kämpft tatsächlich mit den Anstiegen ziemlich und geht dabei ganz schön in den Keller. Rechte Spur nehmen und sich überholen lassen. Dafür belohnt die Strecke mit dramatischen Ausblicken auf das Meer, in das die Berge münden. Vor Bilbao liegt noch ein Ziel auf der Strecke, das nur einen kleinen Abstecher bedeutet: Gernica.

Die meisten werden den Namen aus der Kunst der Moderne kennen, einige wenige aus der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs. Als ich in die Kleinstadt einfahre, frage ich mich zunächst, ob ich mich im Ort vertan habe und ich in Wirklichkeit ein anderes Gernica/Guernica in Spanien suche. Nichts, aber auch nichts weist am Ortseingang und zwischen den langweiligen Mehrzweckbauten auf die tragische Vergangenheit hin. In Frankreich hätten wir mindestens zwei braune Schilder am Rand der Autobahn gehabt und einen dramatischen Untertitel auf dem Ortsschild.

Gernica gilt als Zentrum des baskischen Nationalbewusstseins. Das liegt unter anderem an einer Eiche, die hier steht, unter der seit Alters her die Basken ihre Angelegenheiten verhandelt haben sollen. Mittlerweile ist es die fünfte Eiche, sie wird immer durch einen neuen Baum ersetzt, wenn der alte stirbt, zuletzt geschah dies in den 90ern. Man züchtet die neuen Eichen praktischerweise neben der aktuell gültigen.

Die Baskischen Nationalisten schlagen sich im spanischen Bürgerkrieg auf die Seite der Republik, nicht weil sie groß linke Demokraten gewesen wären, sondern weil eine Autonomie mit der Republik machbarer schien als mit den Frankofaschisten und den verbündeten katholischen Traditionalisten. 1937, der Bürgerkrieg läuft nicht besonders für die Demokratie, beschließt ein Franko-General-Arschloch zusammen mit den Nazis, dass Gernica ein sehr gutes Versuchsfeld für neue Luftkriegstaktiken wäre:

Im April 1937 sprengen und brennen mehrere Geschwader deutscher Flugzeuge Gernica in Grund und Boden, laut Reichsluftfurzminister Göring während der Nürnberger Prozessen, weil man leider anders keine Luftkriegsforschung hätte betreiben können. Die Opferzahlen sind nicht ganz klar, vor allem weil die Daten unter der Franko-Diktatur vernichtet wurden, aber mehrere tausend scheinen realistisch. Gernica ist die erste Stadt die einer Massenbombardierung unterzogen wird. In der Franko-Diktatur waren dann alle dazu gezwungen, zu sagen, dass die Kommunisten in Wirklichkeit die Stadt angezündet hätten, was ich ganz besonders widerlich finde.

Denkmal für die Kämpfenden der Republik vor der Schule

Noch 1937 beauftragt die Republik Pablo Picasso ein Wandgemälde des Bürgerkriegs anzufertigen. Er nennt es Guernica und es gilt als Schlüsselwerk zu seiner Kunst.

Ich habe mir vom Friedensmuseum in Gernica nicht viel versprochen und dann eine über weite Strecken hervorragend gemachte Ausstellung gesehen, die mich sehr nachdenklich und betroffen machte. Es ist ein modernes, sehr gutes Museum, ich würde jedem empfehlen, den Abstecher zu machen.

Bilbao hingegen ist nach Biarritz und La Rochelle richtig erfrischend. Bilbao ist laut, ein bisschen schmutzig und heruntergekommen, lebendig, divers, mit vielen kleinen Läden und Imbissbuden. So stell ich mir eine Stadt vor.

Hallo, ich bin ein Mammut und stehe im Wald.

Ich beschließe trotzdem wieder zwei Stunden Citywalking hinaus in die Pampa zu fahren um weit weg von allem zu campen. Ich lande in den Bergen auf einem Picknickplatz neben einem prähistorischen Minipark. Da gibt es ein Betonmammut, ein paar Hinweistafeln auf Eiszeitjäger (alle Spanisch) und eine prähistorische Höhle, die ein Phänomen ist. In Deutschland wären da drei Eisengitter davor, und eine eindringliche Sicherheitsbelehrung, oder aber taghelle Ausleuchtung und betonierte Wege mit Absperrung, natürlich nur mit Führung und Schutzhelm. Hier kann man einfach zwischen den riesigen Felsbrocken im Inneren herumkraxeln, wenn man eine gute Taschenlampe hat und am besten gute Schuhe an. Ich habe Sneakers mitgenommen und es geht ziemlich tief in den Berg rein, ich gehe lieber nicht ganz bis zum stockfinsteren Ende.

Ich habe hier drei nette Begegnungen: Eine Spanierin mit ihrer älteren Mutter, mit denen ich zusammmen die Höhle erkundige, ein junges Liebespärchen, dessen Hund mich belästigt und eine Gruppe älterer Herrschaften, deren Anführer ein sehr gepflegtes Franösisch spricht (ich leider nicht). Ach ja: Und das Betonmammut.

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