Die Nacht war fast unbeschreiblich still. Morgens der Bergstraße weiter folgen, Richtung spanische Grenze. Nebel wallt aus dem Tal, aber ich fahre höher, in der Morgensonne. Dann, rechts am Straßenrand: Ein kleiner Parkplatz, ein großer Felsen und eine überdimensionale Schaukel. Von hier kann man die ganze Welt sehen, zumindest den Teil, der über dem Nebel liegt, der in großen, dicken Schwaden durch die Nadelbäume zieht. Ganz selten fährt ein Auto. Aus dem Kloster, zu dem der gestrige Parkplatz gehörte, ist manchmal, ganz schwach Gesang zu hören, der durch den Nebel schallt.

Ich erzeuge mit Selbstauslöser eine völlig schamlose Caspar-David-Friedrich-Parodie. Um mich anchließend wieder zu erden, verfahre ich mich in dem ersten spanischen Bergdorf hinter der Grenze, die übrigens nirgendwo angeschrieben ist, in viel zu engen Gässchen und dann kommt mir auch noch eine missbilligend blickende Bäuerin mit vier Kühen entgegen. Kurzer Rangierstress, denn ich habe noch immer nur ein schwammiges Gefühl, wo hinten Gaspard aufhört, wenn der Fahrradträger mit Pegasus bestückt ist. Uffz.

Zunächst führt mich meine Strecke durch bergige Gegenden mit dramatischen Ausblicken. Gaspard muss oft ganz schön schnaufen, wenn die Anstiege kommen. Dann wird die Gegend flacher und es fängt an nach Klischee-Spanien auszusehen: Dürre, gelbbraune Gräser, Hügel, schwarzgrüne Baumgruppen.

Was bemerkenswert ist: Wie menschenleer ist es hier doch. Kaum eine Siedlung ist zu sehen, ganz selten durchbrechen Höfe das eintönige Bild. Man könnte genauso in New-Mexico oder einem Italo-Western unterwegs sein.

Dann bin ich in Leon, der großen alten Hauptstadt, Pilgerstation. Ich stelle Gaspard wie im Unverstand auf dem höchsten Berg der Umgebung ab. Fantastischer Blick, Platz unglaublich mit Picknick- und Grillmüll versaubeutelt. Steile Abfahrt nach Leon über ausgespülte Wanderwege, noch unangenehmere Rückfahrt nach oben nicht zu vermeiden.

Leon von oben. Leider muss ich nicht nur da runter, sondern danach auch wieder hoch.

Leon wirkt angenehm authentisch auf mich. Viel los, aber kein Overtourism. Kleine, verwinkelte Altstadtgässchen mit ganz normalen Geschäften. Große Prachtstraße mit den üblichen Shops. Es ist ein Sonntag, ich bin gegen 15.00 unten an der Kathedrale, und ganz Leon sitzt um diese Uhrzeit in den Bars und Restaurants, kippt Wein und futtert warmes Essen. Als wäre es in Wirklichkeit 19.30 am Samstag und nicht Sonntag Nachmittag.

7 Euro für ein kuratiertes Museum mit Ausstellung sind ok, aber für eine Kirche? Kommt mir ein wenig frech vor. Es ist einer jener extrem sonnigen Septembertage, in denen sich der Herbst schon bemerkbar macht. Zum Beispiel daran, dass es in der Sonne schön heiß ist und man im T-Shirt sitzt, aber die kleinste Veränderung – Schatten, Wind frischt auf – bringt einen dazu, nach einem Pulli oder einer Weste zu greifen.

Erstaunlicherweise finde ich in Leon nicht viel zu tun, außer herumzustreunen, ein Eis zu essen und einen Kaffee zu trinken. Vielleicht habe ich mir einfach inzwischen zu viele Städte angeschaut. Schon um fünf bin ich wieder auf meinem Berg, ausgepumpt, aber nicht so fertig wie in Porto. Ab und zu fahren hier mal Autos hoch und bewundern das Panorama, Jugendliche betreiben hier Dirtbiking. Ansonsten bläst der Wind durch die Bäume und im Gras.

Adendum: Mein Aussichtspunkt ist in Wirklichkeit der Aussichtspunkt der Jugendlichen von Leon. Viele Autos, Mac-Donalds-Tüten, Haschischtüten, lautes Gelächter. Ich bin eben jetzt gerade der alte Hippie, der das nicht so mag. Nach dem Abwasch vertäue ich wieder alles und ziehe zwei Minuten den Berg runter um, auf einen Waldparkplatz.

Ja, wer versteckt sich denn da im Wald? Ja, wer versteckt sich denn da im Wald?


Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..