Ich erwache, weil mir jetzt im Gesicht doch frisch ist und draußen die ersten Autos an Gaspard vorbeiknattern. Erst mal Kaffee (instant, keine Lust jetzt vor dem Bus rumzustehen), etwas Marmorkuchen aus der Tüte und raus auf das tolle Panorama blicken.
Der Blick enttäuscht heute.
Das liegt daran, dass der strahlend blaue Himmel von gestern einem trüb-grauem Nebel gewichen ist, es sieht wieder aus wie Winter in Mitteleuropa, ein impressionistisches Gemälde zwischen hell- und dunkelgrau. Dieses Bild wird sich über den Tag hinweg auch nicht ändern, es bleibt ein grauer Samstag.
Nach Bologna ist es im Vergleich zur gestrigen Tour nur ein kleiner Hüpfer so dass ich zur Mittagszeit da sein sollte. Auf dem Weg durch die Po-Ebene kommen mir kurz Erinnerungen an einen lang vergangenen Päärchenurlaub in Brescello, frisch verliebt waren wir. Brescello kennt kein Mensch, es ist ein Kleinstädtchen, und wer noch nie von Don Camillo und Beppone gehört hat, den wird das Kaff auch nicht jucken. Aber wir waren beide große Fans der Filme und wer die alten Streifen kennt, der wird sofort das Örtchen wieder erkennen. Ich verzichte aber auf den Drang, abzubiegen und bleibe auf der A1. Gerade keine Lust auf alte Erinnerungen.
„Tante Cecarelli hat …“
„… einmal in Bologna …“ Na, wer kann mitsingen? Ich mache jedenfalls in Bologna keine Amore, sondern erstmal Jause und schwinge mich dann auf Pegasus und radele ins Zentrum. Und Bologna macht alles richtig, was Como falsch macht. Überall Fahrradwege, wo keine sind, ist es komplett akzeptiert, dass die Fahrräder mit den Autos fahren, Innenstadt sowieso gesperrt, einmal komme ich sogar an einer Reperaturstation mit Ständergestell und Luftdruck vorbei.
Auch sonst macht Bologna richtig Spaß. Das Stadtbild ist super schön, die Renaissance lebt, aber vor allem lebt die Stadt mit lauter Leuten die am Samstag unterwegs sind. Klar, die Ketten in den teuren Straßen sind der selbe konturlose Luxus-Schrott wie überall. Aber der Rest ist geil.
Auf dem Platz mit dem Neptunsbrunnen (aus der richtigen Perspektive sieht ein Finger der Statue aus, als habe Neptun einen Ständer, hihihi, knipsknipsknips der weniger helle Teil der Touris), also auf diesem Platz steht ein Typ mit Gitarre und singt „Bella Ciao.“ Er macht eine lange Vorankündigung, die ich nicht verstehe, aber was ich verstehe ist „Partigiani.“ Einige Leute singen laut mit. Klar weiß jeder, dass der Gassenhauer ein altes Partisanenlied ist, klar ist das Teil schmissig, aber: Im Italien einer Meloni bedeutet es mehr als bei uns zu Bella Ciao zu klatschen und mitzusingen. Merken wir uns das vor, wenn Merz doch mal zu den Faschos hinkippt (wie aktuell gerade in Österreich), um schön geil an der Macht zu sein. Hoffe, wir kriegen was optimistischeres als die „Moorsoldaten“ hin, um gegen die Demontage der Demokratie anzusingen.
Libertaaaaaad!
Ansonsten streune ich durch das Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, das komplett zugänglich ist, inklusive Sitzungssaal des Gemeinderats und wandelnde Kunstausstellungen. Überhaupt hängt das komplette Teil voll mit Fresken und Gemälden, so dass man fast die absolut unfassbaren Decken des Rathauses übersieht. Bologna, erst nur gewählt weil es geschickt auf der Strecke liegt, erweist sich als überaus erfreuliches Ziel, da macht mir auch das trübe Wetter wenig aus. Auf einem großen Polenmarkt im Zentrum (es sind keine Polen, aber Flohmarkt würde es nicht treffen) rede ich einige Zeit mit einem älteren Herren auf Englisch über die Kunst sich auf Englisch zu unterhalten. Mehr Meta-Ebene geht nicht.
Gegen 16.00 allerdings bin ich wieder bei Gaspard denn ich will ja für die heutige Nacht in die freie Wildbahn. Und oh boy, habe ich mir da Wildbahn auf der Karte ausgesucht. Der große Parkplatz ist toll zum Stehen und soll einen fantastischen Blick auf den Sonnenuntergang haben – den es heute nicht gibt, weil nur das graue Licht ausgedreht wird – aber der Weg dahin ist dermaßen eng und gewunden, dass mir mit Gaspard ein bisschen bange wird. Außerdem sind im Tal überall noch Anzeichen einer Flutkatastrophe zu sehen – war da nicht im Herbst was in den Medien? Klimawandel life, gestern noch vor Ihrer Haustür, morgen schon vielleicht auch in Ihrem Keller.
Wintercamping ist übrigens schwierig.
Es ist im Winter immer alles nass. Vor allem der Boden. Trockene Winter gibt es nicht. Was heißt, dass der Boden in Gaspard ständig verdreckt ist. Auch Gaspard selber ist ständig verdreckt. Komm an den Bus und die Klamotte ist schwarz. Man kann nicht gut um den Bus herum leben, es ist zu kalt und zu feucht dafür, aber manchmal muss man vor den Bus, zum Beispiel um zu kochen, und auf eine warme Abendmahlzeit lege ich als älterer Hippie mit Bus wert. Nun gut, das wäre jetzt geschafft, ich bin beim Bier, und es ist bis jetzt in Gaspard auch trotz der Höhe nicht zu frisch. Morgen Rom.
Hoffentlich ist auf Sizilien Frühling.