Kurz nach dem ich den letzten Eintrag verfasst hatte, leuchtet eine Taschenlampe in meinen Bus. Ich bin sofort auf Alarmstellung, grabsche meine eigene Taschenlampe, reiße die Tür auf und brülle „Hello?“ Es ist aber nur der Nachtwächter von der Baustelle am Strand unter der Klippe, der Nachsehen wollte, ob der einsame Bus kein Kupferkabeldieb ist. Natürlich ist es ok, wenn ich heute Nacht hierbleibe. Dem Kerl tut es sichtlich leid, dass er mir so einen Schreck eingejagt hat.

Die Nacht ist klar und kalt. Der wolkenlose Sternenhimmel bietet eine Pracht, die mir als Stuttgarter sonst kaum bewusst wird. Windböen rütteln ab und zu am Bus, aber ich schlafe dann irgendwann ein. Gegen morgen ist mir wieder um die Schultern kühl und der Wind ist leider immer noch da. Ich wasche mich trotzdem und fluche über jede Böe, die mich erschauern lässt.

Google leitet mich wieder über unmögliche Straßen und dann stehe ich fast unvermittelt vor der albanischen Grenze. Diesmal will man quasi gar nichts von mir außer den Perso und schwups stehe ich in Albanien. Auf nach Tirana!

Albanien ist ein Land der Gegensätze.

Einer der klischeebeladensten Sätze der Reiseliteratur, aber dieser Tag ist ein einziges Auf und Ab. Und anstrengend. Zunächst: Zwischen Montenegro und Tirana ist die Umgebung überhaupt nicht schön, sondern ehrlicherweise sehr hässlich. Die Berge am Horizont wirken vielversprechend, aber Albanien ist hier wirklich kein Montenegro, wo einem nach jeder Kurve der Kiefer herunter klappt.

Und dann war da Tirana.

Ich dachte wirklich, dass mich Sizilien auf viel vorbereitet hat, aber der Verkehr in der albanischen Hauptstadt ist eine absolut chaotische Hölle. Ich hätte einfach nicht reinfahren sollen, und rein heißt: Nicht näher als 10 Kilometer ans Zentrum. Alleine die Masse von Fahrzeugen mit Warnblinker auf der rechten Spur zeigen deutlich an, dass Tirana keine Stadt zum Anhalten ist. Aufgrund der chronischen Verstopfung aller Straßen ist es halt auch leider keine Stadt zum Fahren. Es ist eine groteske Mischung aus zu voll zum Parken und zu voll zum Vorwärtskommen. Alles steht im ersten Gang und kurvt um Hindernisse. Ich steuere zwei camper-geeignete Parkplätze an, beide sind komplett überfüllt bis zur Einfahrt. Nach einer Stunde gebe ich entnervt auf und suche die nächste Stadt an der Küste.

So komme ich nach Durres.

Der Verkehr ist nicht viel besser hier, aber ein bisschen. Ich finde einen Parkplatz etwas abseits am Strand und hier ist der schurkische Parkwächter im Gegensatz zu Sizilien glaubwürdig aufgestellt: Er hat eine Glatze, trägt Sonnenbrille und hat einen Kampfhund dabei. Leider habe ich noch keine Lek in der Tasche, er fragt dann aber, ob ich ein Bier im Wagen hätte – ich könnte auch gerne gegen eine Dose Bier parken. So gefällt mir der Balkan schon besser.

Durres ist ziemlich groß und auch nicht wirklich schön. Aber ich fange hier an zu organisieren. Bank suchen, sich von superreichen Geldhäusern beim Abheben unfair besteuern lassen – check. Dann treffe ich auf Frau Doktor Eda Vokopola. Es ist der erste Brillenladen in den ich laufe und hinter der Kasse sitzt eine sehr alte Frau, die auf die Frage, ob sie Englisch spricht, „No“ antwortet. Ich will aber nicht einfach wieder abhauen, und Frau Dr. Vokopolas Englisch ist dann eigentlich ganz ok. Außerdem gibt es den Translator auf dem Handy. Sie ist locker 75 oder älter und man fragt sich etwas, warum sie noch immer den Optiker betreibt, aber sie versteht schnell mein Problem und kann auch meine Augen ausmessen. Leider platzt der Plan mit der neuen Brille teilweise: Gleitsichtgläser brauchen eine Woche, denn sie kommen aus Italien nach Albanien. Eine neue Fernsichtbrille gibts aber schon morgen. Zum Autofahren reicht das. Umgerechnet 130 Euro zahle ich mit Gläsern und ein nettes Gespräch über die Herkunft meines Vornamens „Akim“, der für sie muslimisch klingt, gibt’s obendrein.

Dann finde ich eine Wäscherei und der Security Guard gibt mir Tipps, wie ich es schaffe in der Nähe zu parken, denn drei Kilometer schleppe ich meine Wäsche nicht durch die Stadt, aber Parkplätze sind halt auch in Durres eine Seltenheit.

Schließlich laufe ich noch zu einer Fahrradwerkstatt und das ist nun sicherlich die spannendste Begegnung. Die beiden Herren dort sind sicherlich auch hoch in den 60ern. Sie sehen aus wie lustig kostümierte Obdachlose, was gar nicht despektierlich von mir gemeint ist, denn offensichtlich wird man mit Fahrrädern in Albanien nicht reich. Der eine versucht immer Witze zu machen, der andere zu verstehen, was ich will. Ob ich es geschafft habe das Problem von Pegasus zu erklären, zeigt sich morgen, wenn ich ihn von dort wieder abhole. Der alte Mann möchte 30 Euro für eine neue Kette und einen Zahnkranz.

Letztendlich bekomme ich es hin vor Sonnenuntergang meine Wäsche zu waschen, Pegasus bei den zwei Alten vorbeizufahren und mich auf den Weg raus zu machen, denn in Durres möchte ich die Nacht nicht verbringen, auch nicht auf dem Strandparkplatz. Zu laut, zu hässlich. Jetzt weiß ich, warum das auswärtige Amt dazu rät, seine Ziele vor Dunkelheit zu erreichen. Albanische Straßen werfen einem immer wieder ein überraschendes großes Schlagloch in den Scheinwerferkegel. Aber jetzt stehe ich direkt hinter der Düne, dahinter rauscht das Meer. Um mich rum wohnt keiner.

Geilo!

Die eingelegten Paprika der serbischen Ladenbesitzer sind übrigens die Bombe. Schön sauer und scharf, nicht so Zuckerlesessig-Gemüse wie im deutschen Supermarkt. Auch das serbische Bier ist süffig und der Puffreis ordentlich.

Ich freue mich auf einen Morgenspaziergang am Strand.

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