Italien: Zähes Mittelmeertief über Sizilien. Balkan: Zähes Mittelmeertief über der nördlichen Adria. Osteuropa: Zähes Ostseetief über dem Festland. Ich komme mir so langsam vor, wie der Fernfahrer aus „Der lange, dunkle Fünfuhr-Tee der Seele“ von Douglas Adams. Der nicht weiß, dass er die Reinkarnation eines Regengottes ist, und der sich deshalb nicht mehr wundert, warum er seine Touren in 45 Variationen von Regen fährt, der glaubt, es regnete immer in England, das sei normal.

Jedenfalls erwache ich, weil Windböen an Gaspard rütteln und den Regen prasselnd über den Bus treiben. Ich halte mich nicht lange auf: Bett zusammenschieben, einen warmen Instantcappuchino trinken und dann runter von der nassen Wiese. Auf dem Weg finde ich einen Rastplatz mit MacCafe, gutem W-Lan und einer Dusche im Toilettenhäuschen. Es ist windig. Es pisst. Es hat acht Grad.

Das Wetter wird gegen Süden über den Vormittag besser. Als ich in Krakau ankomme, ist es nur noch aprilig, aber nicht mehr novembrig. Alle fünf Minuten wechselt also die Witterung zwischen Sonnenloch und Regenguss. Ich habe vom Krakauer Zentrum viel Gutes gehört, aber erst mal muss ich ein bisschen Versorgung einkaufen. Entdeckung: ALDI heißt in Polen nicht Aldi, sondern irgendetwas, das ich mir nicht merken konnte und dessen Ladenlogo eine fröhliche Cartoon-Biene ziert. Ansonsten ist alles gleich: Der Aufbau der Läden und die Produktpallette, na ja, ein paar Verschiebungen gibt es dann doch. ALDI-Bienchen bietet 60 Sorten Dosenbier an und ein Drittel des Ladens besteht aus Fleischstücken in Drei-Kilo-Beuteln. Aber sonst.

Krakau Zentrum: Viel Gutes.

Ganz klar muss man sagen: Die Altstadt ist der Hammer. Die Burg sieht aus wie aus einem Fantasy-Epos, die Altstadt ist groß und wunderschön, der Marktplatz in dieser Gestaltung einzigartig. Aber Krakau ist auch sehr das, was ich inzwischen „verwertet“ nenne. Irgend eine Unternehmensberatung hat den Verantwortlichen vor einigen Jahren beigebracht, wie sie den maximalen Gewinn-Rückfluss aus ihrer Insta-Gold-Altstadt bekommen. Alle Geschäfte, alle Läden, alle Angebote, alle Beschilderungen gestreamlined, so dass die Zielgruppe „Touri“ möglichst zum Ausgeben animiert wird und man alles perfekt auf deren Bedürfnisse hin designed, außer natürlich die Bausubstanz an sich. Dementsprechend wimmelt Krakau von Gästen, nur Einwohner bekommt man in der Altstadt nicht zu Gesicht.

DSA, aber halt in echt.

Man kann es mir aber auch nicht recht machen. In unentdeckten Perlen wie Jekabpils, wo ich vermutlich der einzige Fremde war, beschwere ich mich, dass es da nix gibt. In Traumkulissen wie Krakau motze ich über den Vergnügungspark-Charakter, den alles wegen der Fremden angenommen hat.

Eine Weile streune ich auf der fantastischen Burg herum, aber das Angebot von fünf Touren mit fünf unterschiedlichen Zeitslots schreckt mich eher ab. Ein vernünftiges Kaffee, wo das Stück Kuchen keine 12 Euro kostet oder man vorher dem Concierge sagen muss, was man zu tun gedenkt, damit er einen strategisch richtig setzt, finde ich erst nach langem Herumwandern. Das Kaffee ist toll, klein, eine Toilette hat es nicht. Zu spät entdecke ich die Bezirke am Rand der Altstadt, die sehr viel autentischer und interessanter zu entdecken wirken, aber da wäre es dann eigentlich schon wieder Zeit, zum Nachtplatz weiter zu ziehen.

Mal wieder an der Weichsel, Grillplatz im Wasservogelparadies.

Ach ja: Für den geplanten Auschwitz-Besuch hätte ich vor drei bis vier Tagen einen Slot reservieren müssen. Das Wochenende ist in der Gedenkstätte komplett dicht. Ich fahre morgen früh trotzdem mal hin, quasi stehe ich gerade kurz davor, aber große Hoffnungen mache ich mir nicht. Vielleicht habe ich ja wegen dem Pech mit dem Wetter mal wieder Glück und es gibt Restkarten von Leuten, die nicht auftauchen.

Die Alternative, nämlich hier noch vier Tage im Kreis zu fahren, möchte ich lieber nicht. Die Zloty-Geschichte geht mir zunehmend auf die Nerven, ich möchte wieder in ein Euro-Land.

Ich habe voll Bock auf Tschechien.

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