Ach Leute, was für ein ereignisreicher Tag. England ist erreicht, ich lebe noch und sitze im Wald. Ich bin jetzt von einem anderen Camper neidisch ob meines ebenen Stellplatzes beäugt worden und einmal wurden wir von Locals angehupt. Camperglück.

Zeit um mal den heutigen Tag zu sortieren. Es ist so viel passiert, dass ich mal versuche das nach Großthemen zu organisieren.

Thema 1: Die Kanalküste ist echt hässlich

Vielleicht lags am schlechten Wetter, aber man darf sich an diesen bombastisch breiten Stränden echt nicht umdrehen. Sobald man die Landschaft dahinter erblickt zeigt sich wenig, das dem Blick schmeichelt. Alte, rostige Fabrikkomplexe, anklagend in den Himmel ragende Kräne, vernachlässigt wirkende Höfe. Selbst die Dörfer wirken niedrig und geduckt, sie ziehen sich ewig entlang der Straße, aber gleich hinter der Häuserreihe nur noch Kanälchen und sumpfige Wiesen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das jetzt hier die „Stis“ sind, aber ich habe da mal einen Film gesehen, und das könnte passen.

Thema 2: Fähre fahren ist auch keine Lösung.

Man muss sagen, dass der Ablauf ganz reibungslos war. Er war aber auch unendlich lang. An den Check-In gefahren bin ich um ziemlich genau 9:30, auf der Fähre war ich dann gegen 11:20. Das hat Flughafenqualität. Vier mal musste ich den Pass vorzeigen, danke Boris Johnson. Und danke an alle Grenzkontrollenfreaks zuhause, die sich einfach sicherer fühlen, wenn unbescholtene Leute an der Grenze in einem langen Stau warten. Alleine die Kosten, die dem Staat entstehen, damit man feststellt, dass bei 99% aller Grenzgehenden alles absolut in Ordnung ist. Aber na ja, Opa Ernst mit seinen Sicherheitsbedenken regiert die Welt.

Die Isles of Inismore ist schon etwas in die Jahre gekommen und weint deutliche Rosttränen. Jede zweite Toilette ist gesperrt und die Wechselstube bescheißt dich locker um 5 Pfund pro hundert eingewechselter Euro. Das WiFi ist free aber unzuverlässig und alle Fenster sind wie immer nahezu blind. Die einzige Fähre mit durchsichtigen Fenstern, die ich kennengelernt habe, war eine finnische Fähre. Aber meine Linie fuhr zuverlässig. Das Wetter auf dem Ärmelkanal war dunstig grau, der Wind pfiff brutal auf dem Oberdeck und die white Cliffs of Dover schälten sich eher gelangweilt aus dem Dunst. Trotzdem ganz beeindruckend.

Die Grey Cliffs of Dover

Thema 3: England ist anstrengend zu fahren.

Das liegt aber nicht am Linksverkehr. Mit dem kam ich bis jetzt einigermaßen zurecht, man muss sich nur regelmäßig halblaut „links“ vorsagen, wenn man irgendwelche Fahrmanöver unternimmt. Was einen wirklich stresst, sind die Kreisverkehre, teilweise oval und mit 8+ Ausfahrtrichtungen. Die muss man auf der richtigen Spur anfahren und dann rechtzeitig vor Ausfahrt 6 auf die Außenspur wechseln. Anspruchsvoll. Natürlich ohne das Fahrzeug aus der ungewohnten Richtung zu übersehen. Problem zwei sind die kleinen Landsträßchen. Sie haben etwas Sizilianisches, in der Hinsicht, dass nie und nimmer zwei normale Autos aneinander vorbei fahren können. Darüberhinaus werden sie aber hierzulande von dicken grünen Büschen gesäumt, die die Vorraussicht einschränken und das an den Rand Fahren für den Gegenverkehr nicht unbedingt erleichtern. Gut, dass ich durch die süditalienische und albanische Fahrschule gegangen bin.

Thema 4: Canterbury Tales

Canterbury, in der Schüssel.

Meine Güte, ist das Städtchen pitoresk! Von der erhaltenen Stadtmauer bis hin zu den mittelalterlichen Sträßchen, alles sieht so aus, als würde ein 50er-Jahre-Film-King-Arthur jederzeit um die Ecke reiten. Oder J. K. Rowling durch eine Butzenglasscheibe brechen und wahllos Queerfeminist*Innen beschimpfen. Jedenfalls verströmt Canterbury auf Straßenniveau deutliche Krakau- oder Porto-Vibes, alles ist auf die strömenden Touri-Massen abgestellt. Die sind mächtig und schwappen wie eine internationale Suppe in einer Schüssel hin und her. Sobald man die Stadtmauer hinter sich gelassen hat ist Canterbury nur noch ein verschlafenes Kleinstädtchen. Die Kathedrale benötigt eine Reservierung und kostet 20 Pfund, bei all den bedeutsamen Kirchen in diesem an bedeutsamen Kirchen nicht armen Jahr sagte ich mir: Spar dir den Aufwand. Dafür habe ich die Leihbücherei von Kent entdeckt, die hat alte Bücher verkauft. Leihbibliotheken sind immer irgendwie gleich und ich habe gleich warme Kindheitserinnerungen bekommen. Da mein Roman in Stuttgart vergessen wurde, habe ich mit für ein Pfund einen Science-Fiction-Klassiker gekauft (kennt jemand John Brunner? Ich nicht). Das Buch hat den original Bibliotheks-Zettel drin und ist damit ein eigentlich unbezahlbares Reisesouvenir.

Morgen erwartet mich London. Es gibt offensichtlich einen Parking Spot außerhalb der Maut-Zone, von dem man in 25 Minuten mit dem Rad an den Tower von London fährt.

Wünscht mir Glück.

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