So richtig geil war die Nacht nicht. Weil ich den einen oder anderen verdächtigen Eindruck von dem Viertel gewonnen hatte, lag ich eher mit einem Ohr wach als dass ich tief schlief. Natürlich war noch lange was los, Leute liefen herum und Autos parkten ein. Bei jedem Geräusch in der Nähe wurde ich wach und lauschte, ob sich jemand am Bus zu schaffen macht.
Natürlich war gar nix.
Trotzdem war ich dann früh wieder wach und begann meinen Tag. Heute war Greenwich an der Reihe als Ziel, und warum gerade Greenwich?
Piraten!
Eigentlich ist Greenhich sehr hübsch und mit der königlichen Marineakademie auch beeindruckend – wenn man um 9.00 morgens ankommt und nicht später, und schon wieder die Sonne scheint. Davor lümmelt die Cutty Sark auf dem Trockenen vor sich hin und vor allem steht da das Marinemuseum. Und das hat gerade eine Sonderausstellung zum Thema Piraten.
Piraten waren schon immer meins. Von allen Playmobilspielzeugen, die ich hatte. war das Seeräuberschiff mein liebstes, ich wollte schon mit 5 oder 6 Jahren Pirat am Fasching machen und ich hatte dieses eine Buch im „Was ist Was?“-Stil zu dem Thema, das ich rauf und runtergelesen habe. Und dann ist da natürlich auch noch das restliche Marinemuseum mit seinen ständigen Ausstellungen.
Nun ja.
Also die Piraten-Exhibition war trotz Kostenpflicht eher so am ganz-ok-Bereich. Am gelungensten war noch der Einstieg, in dem es um die Konstruktion des modernen Klischeebilds des Freibeuters in diveren Medien geht. Alleine, dass es da ein Interview mit Sid Meyer zum Thema „Pirates!“ (1987) gibt, hat mich sehr abgeholt. Der historische Teil bot trotz natürlich cooler Exponate wenig über das hinaus, was mir schon das große Kinder-Piratenbuch kurz vor dem Raubkopieren von „Pirates!“ vermittelt hatte.
Die restliche Ausstellung ist etwas besser, und wenn ich nicht gestern im Imperial-War-Museum gewesen wäre und das gesehen hätte, wäre ich wohl deutlich gehypter rausgelaufen. Das Gebäude selbst und der Aufbau ist der Hammer; Und ich habe Nelsons blutige Socken gesehen. Alle drängen sich um die Uniform des guten Admirals mit dem Einschussloch am Hals, aber seine Socken werden eher vernachlässigt. Vielleicht, weil es nicht sein Blut ist, das an ihnen klebt, sondern das des Offiziers, der in der Schlacht von Tafalgar neben ihm auf dem Kommandodeck stand und der einer französischen Kanonenkugel im Weg stand. Hätte die den Admiral erwischt, gäbe es heute deutlich weniger auszustellen.
Als ich gegen halb zwei wieder aus dem Museum laufe stelle ich zwei Dinge fest: Die Sonne scheint noch immer; Greenwich wimmelt vor Menschen, die meisten sind Ausflügler. Das konzentriert sich aber wieder sehr abgegrenzt auf die halbe Meile zwischen Cutty Sark und Marinemuseum, danach ist es schlagartig rum mit Rummel und die Lewishhamer Südlondoner sind wieder unter sich.
Meine Zeit in London läuft aber ab. Ich entdecke noch einen Straßenmark und kaufe mir eine neue, wollige Schiebermütze mit Bommelknopf, dann radle ich aber zurück zu Gaspar und schnalle Pegasus auf den Träger. Ich will noch Richtung Küste heute und ich weiß, dass ich aus London nicht schnell rauskommen werde.
Witzig: Mir kommt Linksverkehr mittlerweile schon „normal“ vor.
Ich schleiche also erst über die Hauptverkehrsadern, dann über die Autobahn, dann über südenglische Landsträßchen und sitze jetzt in einem Waldstück 10 Meilen nördlich von Brighton.
Morgen gibt’s Vergnügungsstrand.