Brighton,I’m in Love. Ich hatte mir von dem altehrwürdigen Strandbad gar nicht so viel erwartet und wollte nur auf diese alte Pier, aber jetzt, wo ich da war, würde ich sagen: Einer der besten Orte bisher.
Doch der Reihe nach.
Die Pier – also Brighton Palace Pier – ist fantastisch. Es wirkt alles so, als hätte man die 90er und frühen 2000er zusammen eingeschweißt und da bleiben sie nun. Als ich um zehn auf die alten abgewetzten Planken trete wandle ich zuerst einmal durch den großen Eingangspalast, maurischer Stil in viktorianischem Eisenwerk, der heute eine große Daddelhalle ist. Alles blinkt und düdelt. Ich versenke ein paar Pfund in einem Flipper doch ich bin einfach zu schlecht darin habe einfach Pech mit der Kugel.
Die Fahrgeschäfte dahinter schlummern noch, nur das Kinderkarusell spielt Orgelmelodien ab. Noch habe ich die Pier ziemlich für mich allein, großartig. Man darf sich einen Liegestuhl von einem Stapel nehmen und über das Wasser starren. Auch das ist großartig. Ich bin definitiv nun verliebt.
Etwas später geht es los, Achterbahnen und Autoscooter fangen an zu laufen, große Gruppen asiatischer Schulklassen besetzen sie und kreischen in jeder Kurve. Vergnügungspark-Atmo. Anders als in Helsinki finde ich nicht, dass ich dringend etwas fahren muss, ich kaufe mir eine Waffel. Der Himmel ist dicht bewölkt, aber es ist trocken heute und der Wind bleibt im Rahmen. Perfektes Shorts-und-Pulli-Wetter.
Sehr Englisch.
Eine Stunde später schlendere ich die Strandpromenade entlang, der Strand besteht leider aus eher ungemütlichen Kieseln. Links und Rechts Büdchen an Büdchen, es riecht nach fritiertem Fisch und Candy. Alle wirken hier sehr entspannt und heiter. Ich finde das privat organisierte Brighton-Museum in einer der Strand-Arkaden, man kann es gegen eine Spende ansehen und einiges über den Fischerort und die Entwicklung des Tourismus lernen.

Nicht weit davon ragt das dürre Skellett der alten Westpier aus dem Wasser, ein trauriger rostiger Stahlstreben-Rest. Anfang der 2000er waren die Pläne zur Restaurierung ziemlich weit gediehen, dann brauchte es zwei Winterstürme und zwei Brandstiftungen, um das historische Gebilde zu zerstören. Man fragt sich, wer ein Interesse daran gehabt haben könnte die Wiedereröffnung einer zweiten Vergnügungspier zu verhindern BlickgehtzurBrightonPiergegenüber …
Übrigens verweist kein Hinweisschild an den Überresten auf diese Story, dazu muss man in das Museum um das Nachzulesen.
Als nächstes kommt mir eine Arkade mit historischen Spiel- und Unterhaltungsautomaten aus den dreißiger bis fünfziger Jahren entgegen. Geil! Man kann mit 10 und 20 Penny-Stücken hier stundenlang Spaß haben, ich schaffe es sogar bei einem Geschicklichkeitsspiel meinen Groschen wieder raus zu spielen. Und der Gruselfaktor der alten Animatronics ist einfach herrlich.
Dann entdecke ich das städtische Brighton.
Brighton gilt als Woke-Hauptstadt Englands, als Gay-Capital, als der Ort, mit der höchsten Lebenszufriedenheit der Einwohner. Ob da etwa ein Zusammenhang besteht? Jedenfalls wirkt die Innenstadt als sei man 1969 in San Franzisko gelandet. Kleine Cafes und Restaurants, jede Menge Second-Hand- und Plattenläden, wenig Ketten, viele private Geschäftsinhaber, alles sehr entspannt und nicht mal so teuer. Google Maps findet alleine drei Rollenspiel-Geschäfte in Brighton.
Ich will sofort einziehen.
Aber ich muss weiter, schließlich will ich noch bis Wales und könnte mich alleine in Süd-England gut und gerne zwei Wochen herumtreiben. Jetzt kommt es allerdings: Auto fahren ist im UK echt anstrengend. Das liegt nicht am Linksverkehr. Das liegt an Design-Entscheidungen.
Ich weiß nicht, ob zuerst Frankreich oder England den Kreisverkehr entwickelt haben, aber ich weiß, wer das Konzept verstanden hat und wer ein irres Monster zusammenbastelt. Der krasseste Kreisverkehr auf dem Weg ist ein riesiger, meilenbreiter Betonkreis mit einem einsamen Baum in der Mitte. Spurlinien und Beschriftungen sind irgendwann unter John Major verwittert, es müssen aber einmal sechs oder so gewesen sein. Fahrt das mal, wenn ihr die vierte Ausfahrt da nehmen müsst.
Dazu kommt, dass ständig und immer viel Verkehr ist. Die Briten sind einfach gerne mit dem Auto unterwegs, da scheinen Roundabouts und vierspurige Autobahnen nicht viel zu helfen. Ich würde gerne den Zustand einiger Straßen als „albanisch“ betiteln, aber ich will auch nicht Albanien ungerechtfertiger Weise in ein zu schlechtes Licht rücken. Nennen wir es also „Thatcher-britische“ Zustände. Dazu kommt eine beknackte Autobahnabfahrts-Philosophie. Stadt Abfahrten führt hier oft die linke (langsamste) Spur zur Landstraße oder zur anderen Autobahn, was bedingt, dass unsichere Fahrer*Innen gerne die zweite Spur benutzen, weil sie sich nicht trauen flott die Spur zu wechseln. Da diese unsicheren Lenkenden aber auch dazu neigen, sehr langsam zu fahren, werden sie gerne links und rechts überholt, was irgendwie das Linksfahrgebot aushebelt.
Auch Parkplätze gibt’s an der Autobahn quasi nicht, es gibt kurze Haltebuchten. Die werde ich ab jetzt nur im Notfall benutzen, man kommt mit einem nicht so durchzugsstarken Fahrzeug kaum wieder auf die linke Spur, vor allem wegen den Überholern, die die Lahmärsche auf dem zweiten Streifen loswerden wollen.
Insgesamt muss man sagen: Im Schiffbau wart ihr früher besser, als ihr im Straßenbau seid.
Jetzt sitze ich irgendwo in der Nähe von Oxford.
Noch 60 Meilen bis Cardif.



Brighton, yes… definitv eine sehr, sehr, sehr, sehr schöne Stadt, voller Leben und tollen Graffitis 😉 Da ich mit Schülern dort war, war es weniger entspannt, aber die Stadt steht oben auf einer England-Liste, definitv! Gute Weiterfahrt!
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Oh Yeah, Brighton… definitiv eine der schönsten Städte in GB in der ich bisher war! Zwar mit einer Meute SchülerInnen im Schlepptau, aber auch da waren die Eindrücke super! Eine weltoffene Stadt, modern und doch mit dem Charme des ‚Empire‘, das muss man erst einmal hinbekommen! Hoffentlich bleibt das auch so… Aber auch Wales wird dich begeistern! Gute Weiterfahrt!
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