Der Morgen beginnt mit einer gehörigen Portion Stress: Erst entdecke ich eine Email von P&O Ferries, die mich auffordert, zusätzliche Passagier-Daten einzugeben – als ob man das nicht schon bei der Buchung machen könnte, ich habe ja eindeutig deklariert, dass ich EU-Bürger bin.
Beim Versuch mich mit Buchungsnummer und Nachname einzuloggen – nichts, aber auch nichts in diesen online-Zoll-Formalitäten ist sicher, funktional und einfach – wird mir mehrfach ausgespuckt, dass die Buchung nicht existiert. Ich werde nervös. Der Check in meinem P&O-Ferries-Customer-Account – nichts, aber auch nichts in diesen online-Zoll-Formalitäten ist sicher, funktional und einfach – enthüllt mir, dass ich eine Buchung auf dieser Nummer habe, aber sie ist abgelaufen, denn mit dieser Buchung sind bereits am 08. August um 11.00 ein gewisser Mr. H. Silva und eine gewisse Ms. W. Silva von Dover ausgeschifft, und zwar mit einem PKW.
Abgesehen von der Datenschutz-Panne – Hallo liebe Silvas, falls ihr das lest: eure Daten sind bei P&O alles andere als sicher – werde ich nun ernsthaft benunruhigt. Erstens habe ich die Fähre bezahlt und die Silvas hatten dazu noch 80 Euro „Amendment-Fee“ zusätzlich; zweitens muss ich morgen über die Straße von Dover und ich habe wohl keine Reservierung mehr. Drittens frage ich mich, ob meine Kreditkarte gerade von den Silvas abgezockt wurde.
Die Homepage von P&O und eine Telefonstimme versichern mir, dass vor Montag niemand zu erreichen ist. Nichts, aber auch nichts in diesen online-Zoll-Formalitäten ist sicher, funktional und einfach. Eine von mir geschriebene Email mit vielen Screenshots des Vorgangs erhält eine automatisierte hirnlose Reply – nichts, aber auch nichts in diesen online-Zoll-Formalitäten ist sicher, funktional und einfach -, die aber darüber hinaus eine andere Customer-Service-Nummer enthält, unter der ab 9.00 auch am Wochenende jemand zu sprechen sein soll. Per Mail ist die Bearbeitungszeit jedenfalls 14 Werktage.
In Osteuropa wäre so etwas undenkbar.
Jedenfalls stehe ich kurz nach neun dann auf einem Picknickparkplatz und tatsächlich hebt jemand ab. Die junge Frau am Ende der Leitung spricht hartes Midlands-Englisch mit undefinierbaren Einschlägen vom indischen Subkontinent, und die Bikergangs, die über den Parkplatz schwärmen als gebe es kein Morgen machen die Verständigung für mich nicht einfacher. Jedenfalls nimmt sie das Problem ernst; muss ihre Vorgesetzte fragen; zweimal schaltet sie sich zurück, damit ich mein Nummernschild und meine Adressdaten aufsage. Dann scheint es aber geklärt: Fehler von P&O-Ferries, ich bekomme eine neue Registrierungsnummer für die selbe Fähre, auch meine Kreditkarte wurde nicht höher belastet als von mir autorisiert.
Uffz. Aber so was brauche ich auf Reisen wirklich nicht.
Das Wetter ist bombastisch, der Verkehr an diesem Sonntag morgen ist es auch. Es ist verblüffend: man klatscht so viele Spuren in die Landschaft und trotzdem ist der Verkehr nur zäh fließend. Es zieht sich ganz schön nach Portsmouth.
Portsmouth ist in etwa so wie Bristol, nur noch ein bisschen abgeratzter. Ich finde einen schönen Parkplatz an einem großen Sportpark und bin in 15 Minuten mit dem guten, alten Pegasus am Wasser. Die historischen Docks haben hier ein paar echt weltbekannte Schiffe anzubieten.
48 Euro kostet das all-inklusiv Ticket für alle Schiffe. Ich frage die nette junge Frau im zentralen Besuchzentrum, ob man das auch bis zum Abend alles nutzen kann, und mir wird ernsthaft versichert, das sei alles noch heute gut machbar.
Das ist eine Lüge.
Ich ranke jetzt einfach mal die vier Besichtigungen im Dockbereich nach ihrer Geilheit, aus meiner sehr subjektiven Sicht:
- HMS Victory
Nelsons Flaggschiff ist ein nationales Heiligtum und in eher schlechtem Zustand. Der Dreidecker war einfach nicht auf 200 Jahre + X ausgelegt. Dass ihm die Masten fehlen und das Deck unter einem ziemlich engen Schutzzelt liegt, nimmt viel von der Schiffsatmosphäre. Es mangelt ein wenig an Erklärungstafeln im labyrinthischen Rundgang durch die Decks. Entweder man nimmt einen altmodischen Audioguide mit oder kauft noch einmal für viel Geld ein Guidebook. Die Stelle, wo der gute Admiral sterbend aus der Uniform gepuhlt wurde, ist extra markiert. Für Napoleonik-Fans natürlich ein Muss.
- HMS M33
Die letzte überlebende Corvette aus dem Ersten Weltkrieg hat Galipoli mitgemacht und ist ein spannendes Kleinkampfschiff, das man so nicht auf dem Schirm hat. Es ist erstaunlich, wie eng der Minizerstörer war. Leider ist der Rumpf vor dem Zweiten Weltkrieg leergeräumt worden, nur in den Aufbauten kann man den originalen Zustand noch betrachten. Nach 20 Minuten ist man durch.
- HMS Warrior
Das Kriegsschiff ist riesig und war im 19. Jahrhundert sicher ein technisches Wunder. Durch die Decks zu wandern und alle Stationen zu erfassen machte richtig Spaß. Auch das Oberdeck mit den mächtigen Masten wusste mich zu beeindrucken. Außerdem liefen ein paar Guides in den Rollen von Offizieren herum, die auf zeitgenössische Weise Dinge erklärten. Toller Decksplan zum Mitnehmen. Ein echtes Highlight.
1. Die Mary Rose
Tudor-Kriegsschiff, das 1981 vom Hafengrund gehoben wurde. Quasi ein Querschnittsmodell, denn die Seite des Wracks, die nicht im Schlick vergraben war, ist über die Jahre komplett weggerottet. Leider beginnt die Tour mit einer etwas peinlichen Videoinstallation, die ein bisschen an Disneys Geisterhaus erinnert. Aber dann: Das aufgestellte Wrack in einer Halle mit Gallerien verströmt eine ziemlich morbide Atmosphäre. Fantastisch sind aber die vielen Funde und persönlichen Gegenstände aus dem 16. Jahrhundert, die im Rumpf aufgefunden wurden. Einigen der Skellette – etwa 500 arme Schweine sind mit der Mary Rose abgesoffen – kommt man ziemlich nahe. Das Museum ist noch recht neu, die Präparation der Funde dauerte viele Jahre. Es gab hier so viel zu sehen, dass mir am Ende etwas die Konzentration abhanden kam, und ich bin eher ein ausdauernder Museumsbesucher.
Um 17.30 machen die historischen Docks so ziemlich zu, und es gab noch immer drei-vier Sache, für die ich eigentlich gezahlt hatte. Ich bin aber auch durch und setze mich erstmal an den sehr schönen Hafen auf ein Feierabend-Pint.
Hätte ich das mal bleiben lassen.
Es ist der letzte Abend für mich auf den Inseln, ein bombastischer Sommerabend. Auf dem Weg zurück zu meinem Sportpark ertönt plötzlich laute Life-Musik von rechts. Es ist der, laut Aufschrift, „weltberühmte“ Music-Pub „Admiral Drake“, der da mit einer Band im Garten aufwartet.
Ich muss einfach.
Das IPA, das ich mir an der Bar vor allem hole, weil es nur 3,8 % Alkohol haben soll, sieht im Glas wie bräunlich-säuerliche lauwarme Pisse aus und so schmeckt es leider auch. Das Publikum besteht aus ein paar grauharigen Motorad-Rockern, einigen tätowierten Rednecks (wie nennt man britische Rednecks?) und diversen Leuten in ihren 60ern. Die Band, deren Sänger eine Mischung aus Lenny Kilminster und Shane MacGowan ist, spielt Rockklassiker, nicht sehr kunstvoll, handwerklich solide. Aber alle sind gut drauf. Einer tanzt an Krücken.
So verklingt also mein letzter Abend hier sehr angemessen: Vor einem Pub, in der Abendsonne mit einem Pint, alte Rolling-Stones-Kracher singend.



Wow, what a service of P&O Ferries… und du hast keinerlei Entschädigung bekommen? Gratis-Essen oder zumindest Getränkegutschein? Schlecht, sehr schlecht…
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