Heiliger Kerzentropfen, der Dezember! Er rauscht ungefähr so schnell an mir vorbei wie das Impeachmentverfahren an Trumps Ego und im Grunde ist er nun auch schon wieder fast vorbei. Eigentlich war ja das „Projekt Tisch“ auf Dezember geplant, aber ich bin schlichtweg nicht dazu gekommen das ganze aus der Planungsphase in das praktische Arbeiten zu heben.
Dafür gibt es aber hier eine kleine Weihnachtsschrauberei zum Nachbauen und Falschmachen für alle Interessierten: Ich habe wieder seit gefühlt 4000 Jahren für’s Christfest selbst gebastelt. Tja warum nur? Nun, weil sich meine liebe Mama schon im Sommer ein sogenanntes „Insektenhotel“ gewünscht hat und ich immer versprochen habe, ihr aus dem Wald in Frankreich einen entsprechenden Holzklotz mitzubringen. Was nie passiert ist.
Disclaimer: Im Internet finden sich zahlreiche Anleitungen und Klugscheißervideos für sogenannte „Insektenhotels“ (blödester Name seit jemand ein Klo „Watercloset“ genannt hat). Alle möglichen Insektenfreunde, Kleingartenwissenschaftler, Wildbienenzoophile und Wiesenvielfaltinfizierte erklären auf 84 Arten wie ein Stück Holz mit Löchern beschaffen sein muss bzw. wie unendlich dumm doch die meisten Bastler von Holzklötzen mit Löchern aus Wildbienenperspektive sind, sogar noch viel dümmer als ein AfD-wählender Tiefsachse. An alle Doktor*innen der Insektenhotelographie sei hier gesendet: Alle zoologischen Fehler und Sünden an diesem Stück Holz mit Löchern sind mir jetzt, wo’s fertig ist, scheißegal. Erzählt das lieber irgendwelchen Bienen auf der Wiese als im Internet.
So genug über Naturfreunde gelästert, nun zum Bastelvorgang.
(1) Man nehme einen Wald.
Natürlich hab ich beim letzten Besuch im französischen Wald nicht daran gedacht auf Holzsuche zu gehen, also musste ich in einen Stuttgarter Wald am Kesselrand, den es ja gottseidank auch gibt und ich habe ja gerade Zeit. Allerdings habe ich dort keine von Experten vorgeschlagene „Baumtellerscheibe“ gefunden und auch eine Kettensäge, um einfach zwei Schnitte durch einen umgefallenen Baum zu ziehen, habe ich auch nicht. Dafür fand ich aber einen dicken Sägekeil (ist dass der holzfällertechnische Fachbegriff?) der von irgendwelchen Baumfällarbeiten liegen geblieben war, wohl ein oder zwei Jahre alt, also gut abgehangen für ein Stück Holz.
Erste Probleme: nach dem Reinigen erwies sich das obere Ende leider schon als ziemlich morsch, darüber hinaus zeigten zahlreich Fraßspuren und Löchlein, dass schon andere Insekten an dem Stück dran waren, die ich nicht unbedingt unterm Weihnachtsbaum haben möchte.
(2) Stichsäge, schönes Wetter.
Nachdem es dann drei Tage hundskalt und verregnet war wurde dann Anfang der Woche das Wetter endlich so, dass ich die Sägeböcke hinter das Haus stellen konnte und mit der Stichsäge an die Ecken meines Stück Baums konnte. Drei ziemlich anstrengende Schnitte später stellte ich fest:
Neue Probleme: Mit der von Hand geführten Stichsäge werden die Schnitte leider nicht so gerade, wie es gut gewesen wäre.
Erste Erfolge: So sieht das Ding tatsächlich aus wie ein kleines Haus!
(3) Akkuschrauber, Bürstenaufsätze, Schleifscheibe
Danach wurde die Oberfläche noch einmal gründlich von Staub, Walddreck und Schmodder befreit und alles Morsche und Weiche vom Baumstamm geschliffen, Darunter kam tatsächlich schönes Holz zum Vorschein, allerdings ging der Graustich von der Vorderseite nie ganz weg. Egal, used look und so.
(4) Wasserbad und Ofen
Dann kommt der Vorgang, der mein Karma sicherlich wieder etwas in Richtung Regenwurm (eher wohl Borkenkäfer, als Strafe) zieht: Thermische Holzwurmbehandlung. Hört sich geil an für den Akt, ein Stück Holz bei 85 Grad eine Stunde in den Backofen zu stellen. Zuvor wurde der Klotz noch einmal gründlich gewässert, weil ich Angst hatte, dass die Hitze die Trocknungsrisse des alten Brocken zu tief aufreißt.
Im Grunde gehe ich vor wie die „Neues Wohnen“ in Großstädten: Alte Substanz günstig unter den Nagel reißen, etwaige bisherige Mieter mit brachialen und moralisch widerwärtigen Ideen herausekeln, den Block danach hochsanieren und aufhübschen und dann auf neue, schicke und hippe Mieter warten, die Profit bringen. Holzbock: Out, Wildbiene: Megahype.
Probleme: An einem 80 Grad heißen Holzklotz sich die Finger verbrennen, weil man keine Handschuhe anzieht. Darwin-Award.
(5) Restholz, Restlack.
Das Hotel braucht ein Regendach, Ziel war es alles mit Resten, die so herumliegen, hinzukriegen. In meiner Restholzkiste fanden sich noch zwei Lattenabschnitte und ein kleines Verbundholzbrett in der passenden Größe. Zunächst bekamen die Bauholzteile einen gründlichen Anstrich mit alter Ikea-Behandla-Lasur, danach mit einem vergessenen ziemlich orangen Möbellack. Als der fertig war gab’s noch eine kräftige Schicht Sprüh-Klarlack, für den Glanz und als Oberflächenversiegelung. Auch die Oberfläche des Klotz bekommt Klarlack (wegen der Optik unterm Weihnachtsbaum), ich hoffe für Wildbienen ist das kein No-Go in der Fassadengestaltung. Ein kleines Stück Leiste finde ich auch noch, das ein Schild auf dem Dach ergibt, weil man ja am Ende wie bei den meisten meiner Werkstücke nicht erkennen wird, was es sein soll.
Der Möbellack kommt ganz schön knallig orange rüber, bin gespannt ob das nicht zu kräftig war, das sieht man erst im Sommer im Garten …
Mehr Probleme: Eigentlich ist keine dieser Restdosen aus meinem Keller für den Außeneinsatz gedacht – wir werden sehen, wie sehr mein Dächlein der Witterung trotzen wird. Behandla braucht überraschenderweise etwa eine Legislaturperiode zum Durchtrocknen, das hat meinen Arbeitsprozess ganz schön ausgebremst.
Kleine Erfolge: Ja. Es ist tatsächlich alles da und das könnte funktionieren.
(6) Leim, Schrauben, Bohrer, Akkuschrauber
Das Dach wird auf den schrägen Anschnitt an der „Spitze“ meines Wohnblocks angeleimt, den nötigen Anpressdruck liefern die Schrauben. Achtung: vorbohren! Links und rechts sollen eine Latte zusätzlich Stabilität und schönere Gestaltung liefern, auch die werden geleimt und geschraubt. Mein gesägter Winkel an den Latten passt sogar einigermaßen, aber …
… natürlich gibt es Probleme: Der ungerade Sägeschnitt an der linken Seite verhindert ein wirklich bündig-dichtes Abschließen der Latte und warum zum Henker hatte ich die Rückseiten der Stützen denn nicht lackiert? Außerdem gibt es hässliche Lackstreifen. Und nur wer ein kleines bisschen dumm ist und verträumt vor sich hinbaut, setzt das Dach rechts bündig auf die Latte, so dass es nun links zwei Zentimeter übersteht. Da ich geleimt habe, hilft hier nur noch einmal die Stichsäge und noch einmal Lack + Farbe = Zeit. Bei Regen wird das untere Drittel der Fassade trotzdem Nass werden, aber Parterre-Wohnungen sind sowieso nicht so beliebt, also lassen wir einfach das Bohren von Wohnungen im unteren Teil.
Erfolge, immerhin: ich finde dieses Design viel hübscher als eine dämliche Baumscheibe mit Dach.
(7) Akkuschrauber, Bohrerkasten, Edding

Nachdem der erste Pfusch mit einem zweiten Pfusch halbwegs kaschiert wurde (leider ist mir schon wieder kein gerader Schnitt gelungen) kam endlich der Hauptakt: Löcher bohren. Laut Netz mit einem Durchmesser zwischen 4 und 10 Milimetern. Das Bohren in einen massiven Holzklotz ist auch mit einem Akkuschrauber übrigens anstrengender und zäher als gedacht, mein Maschinchen muss ganz schön ackern. Ich könnte mehr Löcher bohren, belasse es aber bei etwa zwei Dutzend. Am Schluss wird noch mein beschriftetes Hotelschild angeschraubt, das macht auch das etwas kurze Vordach einen Daumen länger.
Fazit
Verdammt, das war ja schwieriger und fehleranfälliger als gedacht! Das Ergebnis ist im Großen und Ganzen ganz hübsch, genauer hinkucken darf halt keiner, dann sieht man das, was schief ging. Und in der Sonne glänzt das alte Holz schön.
Öfters mal was basteln zu Weihnachten, Leute. Ist viel befriedigender als ein Einkauf im städtischen Weihnachtswahnsinn oder ein Paket vom Versandhandel. Braucht 10 Mal so lang und man flucht 20 Mal so oft, aber es tut gut.
Jetzt, wenige Tage vor Heilig Abend, wünsche ich mir vom Schicksal einfach drei Tage Weltfrieden für alle Menschen auf diesem Planeten.
Frohes Fest euch allen.