Ja, das ist ein Song aus der Uralt-Polit-Satire „Wag the Dog.“ Aber er geht mir heute beim Tippen nicht aus dem Kopf. Folgendes ist nämlich passiert: Nach beinahe 10 Jahren waren meine grauen Canvas-Gummisohlen-Schnürschuhe (den Markennamen will ich irgendwie nicht schreiben, obwohl ihn sowieso jeder kennt) wirklich, wirklich heruntergelaufen, der Stoff am Übergang zur Sohle eingerissen. Also habe ich mir ein neues Paar besorgt, mehr oder weniger das selbe, das grau ist nur dunkler. Und, aus einer Laune heraus, stelle ich die beiden Latschen nebeneinander und knipse sie mit dem Handy, nach der Maxime: How-it-started-how-it’s-going. Und siehe da, es geht mir durch den Kopf:

Fuck, wie symbolisch.

Ich habe hier lange nicht mehr geschrieben und die Abstände werden immer länger. Das hat durchaus mit dem Schuhbild zu tun. Mir fehlt seit dem Winter häufig die Kraft, die Tastatur zur Hand zu nehmen und darauf tatsächlich so etwas wie einen überlegten Text zu schreiben. Ich habe mich viel beim sinnlos Herumhängen in meiner Freizeit erwischt, rausgehen möchte ich auch nicht wirklich, die Steam-Bibliothek wächst und füllt das Leben mit bunten Flimmerbildern.

Woran liegt’s? Hat er sich leer geschrieben, der Herr Blogger? Ich fürchte die Antwort läuft wieder einmal auf meine zwei Lieblingsthemen heraus: Schule und Pandemie. Das Leben aus mir herausgesaugt, die leere Hülle sitzt da und sucht nach You-Tube-Videos. Was ist da genau passiert? Und so schnell?

How it started.

Im September kam ich als neuer Mensch aus meinem Sabbatical zurück in meine Lehranstalt und stand zunächst vor einer Toilette. Mir ging es fantastisch. Ich war schlank, einigermaßen braun gebrannt und kräftig, entspannt, gesetzt, zehrte aus meinem inneren Pool und freute mich, wieder einmal Schüler*Innen zu sehen und ihnen etwas beizubringen. Sinnlos vor einem kaum frequentierten Mädchenklo herumzustehen, um zu überwachen, dass sich keine zwei Leute gleichzeitig darin aufhalten, empfand ich nichts mehr als amüsant.

How it’s going.

Im Juli schleppe ich mich mit starrem Blick aus dem Schulhaus und würde mich nicht umdrehen, wenn die baufällige Hütte hinter mir theatralisch zusammenbrechen würde. Ich fände es nur folgerichtig. Das erzeugte Bild wäre stimmiger, wenn ich abgemagert wäre, leider bin ich eher schwammiger geworden. Frustbiere. Ich will nur noch raus. In Ruhe gelassen werden, wie ein Tier, das man zu oft misshandelt hat. Noch nie habe ich mich derart in die Ferien gemogelt, die Luft war schon nach Pfingsten raus und ab da war nur noch Durchhalten angesagt bis die Rettung naht. Natürlich habe ich mich um meine Schüler*Innen gekümmert. Natürlich habe ich sinnvollen Unterricht abgehalten. Aber die Richtlinie war 2021 krass in Richtung Alles-was-dem-weiter-Überleben-dient verschoben. Tu, was getan werden muss, aber für Aufgaben darüber hinaus sind keine Ressourcen mehr abrufbar.

Ich frage mich ernsthaft, woran das liegt. Und weshalb ich ganz deutlich die Rückmeldung empfange, dass es fast allen Kolleg*Innen genau gleich geht. Denn – und jetzt kommt das Paradoxon – gearbeitet habe ich in diesem Schuljahr weniger als je zuvor mit einem vollen Deputat.

Das ist zunächst ein erklärungsbedürftiger Satz. Weggefallen sind zunächst mal viele Korrekturen, da wir in den Phasen über Inzidenzwert 35 die Schüler*Innen nicht unnötig in Räume pferchen wollten. In meinem Hauptfach habe ich nur halb so viele Aufsätze schreiben lassen, im Nebenfach war im zweiten Halbjahr darüber hinaus das Klausuren Schreiben ohnehin lange untersagt. In den allermeisten Geschichtsklassen gab es dieses Jahr nur mündliche Noten.

Ebenfalls weg fielen viele sogenannte „Hohlstunden“ und Fahrzeiten. In der Distanzphase war mein Weg aus der Arbeit hinein ins Private wahnsinnig kurz: Diensttablet aus, willkommen daheim. Was hing ich früher in meiner Schule herum und war bereit für irgendwelche anfallenden Aufgaben! Heimfahren lohnte sich damals oft nicht, in diesem Winter war ich aber ständig daheim, konnte später aus den Federn, hatte viel mehr Zeit für mich. Eigentlich müsste ich erholt sein wie ein Honigdachs.

Wahr ist leider: ich bin fertig.

Es kann also, conclusio eins, nicht an der hohen Arbeitsbelastung liegen. Übrigens gilt, so weit ich das beurteilen kann, das oben Gesagte ganz genau so für unsere Schüler*Innen. Weniger zu tun an der Schule als sonst, dennoch tief im mentalen Keller. Was ist aber sonst mit uns passiert, wenn es doch weniger zu tun gab als früher?

Ich behaupte: Die Überlastung war mentaler Art. Wir, die vielen Menschen die täglich ins Bildungssystem wanken, sind nicht überanstrengt, sondern bis zum Umfallen frustriert. Unserer Arbeit wurde der Sinn genommen.

Wenn wir eines deutlich in dieser Krise gesehen haben, dann dass Bildung und die damit beschäftigen Menschen – Lehrer*wie Schüler*Innen – absolut keine Rolle spielen, außer die, dass sie nicht zu Hause bleiben dürfen. Und dass wir andererseits als Betroffene keinerlei Anstrengung wert sind. Von Anfang an blieb es für uns bei Lüftungstheorien und Abstandsregeln, erst als die Infektionszahlen katastrophal wurden, haben die Verantwortlichen zähneknirschend reagiert. Ein paar Masken wurden verteilt, davon viele von zweifelhafter Qualität.

Was wir zu Hauf von euch bekommen haben, sind kurzfristigste Anweisungen. „Fahren auf Sicht“ hieß für die Schulverwaltung nicht, dass man seltener auf die Karte blickt oder gerade mal 50 Meter vorausschaut, es hieß: „Wenn etwas vor dem Kühlergrill auftaucht dann belle ich hektisch ein paar Befehle und lasse andere mal machen.“ Und man fühlte sich am Ende der Befehlskette auf dem Narrenschiff blöderweise immer verantwortlich, diesen Irrsinn in der Organisation eines großen und relevanten gesellschaftlichen Bereiches irgendwie umzusetzen und ihn Schüler*Innen und Eltern zu vermitteln.

Eine typische Seite Verordnungsblabla aus dem Kultusministerium endet mit einem „ich weiß dass wir den Schulen gerade sehr viel zumuten“ und einem schalen und verlogenen Apell an das Wir-Gefühl, aus dem man sich schon selbst aber lange verabschiedet hat. Am schlimmsten ist aber dieses zynische Bedanken.

Dieses Gefühl alleine und unter der festen Prämisse, dass man keinerlei Unterstützung erwarten darf – das laugt mich aus und ich habe den Eindruck es geht vielen so. Deswegen ist mein Seelentier in den Sommerferien 2021 ein zerknautschter, abgerissener Latschen.

Nur um das zu betonen: Unser strukturelles Verlassenwerden durch die Verantwortlichen hat nichts im Geringsten mit Parteiausrichtungen zu tun. Gestern hat die grün-schwarze Mehrheit im Landtag gegen Luftfilterprogramme gestimmt, geplante Entlastungsstunden für Schulleitungen wurden von der neuen grünen Bildungsministerin mit als erstes weg gespart.

Unter der Brille ist es für mich auch völlig wurscht, wenn Laschet im Herbst gewinnt.

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