Ein offener Brief an meine oberste Dienstherrin

Sehr geehrte Frau Ministerin Schopper,

diese Worte richten sich in erster Linie an Sie als Verantwortliche vor Ort, sie können aber stellvertretend auf alle Mitglieder der KMK übertragen werden, an alle Priens, Ernsts, Piazolos, Holters, die seit zwei Jahren den Infektionsschutz an Schulen – nicht betreiben. Aufgrund der mir auferlegten Verpflichtung zu maßvollen Äußerung als Landesbeamter werde ich mich Ihnen gegenüber gemäßigter und höflicher Worte bedienen, die Sie aber bitte rein als meine dienstliche Pflicht auffassen, nicht aber mit einem tatsächlichen menschlichen Respekt und Wertschätzung gegenüber ihrer Amtsführung verwechseln. Hierzu bieten Sie nämlich keinerlei Anlass, den müsste man sich durch verantwortungsvolle und kompetente Politik verdienen.

Am 03. Februar 2022 bin ich an COVID-19 erkrankt. Trotz aller Schutzmaßnahmen von meiner Seite. Trotz allem, was ich versuchte. Ich habe mich schnellstmöglich Impfen und Boostern lassen, im Dienst von jeher eine ffp2-Maske getragen. Eine ordentliche und gut sitzende, nicht den billigen, schlecht geschnittenen Schrott den ihr Amt in infamöser Zusammenarbeit mit dem hiesigen Sozialministerium für uns beschaffen ließ, ein weiteres Indiz dafür, dass es im Kompetenzbereich des Bevölkerungsschutzes in beiden Ministerien deutliche Mängel gibt.

Ich habe mich trotz meiner Versuche, mich vor einer Infektion zu schützen, infiziert.

Meiner Versuche – von Ihrer Seite blieb ein wirkungsvoller Infektionsschutz stets (man möchte meinen gezielt) aus. Seit Pandemiebeginn werden wir mit Lüftungsanweisungen und herbeigeschwurbelten Masken-auf-Masken-ab-Regelwechseln abgespeist, die meistens den medizinischen Empfehlungen in der aktuellen Infektionslage entgegenstehen. Ihre Verordnungen werden inzwischen mit resigniertem Gelächter begrüßt – ich weiß nicht ob sie das ahnen oder diesen Gedanken als Selbstschutz der eigenen Amtskonstruktion lieber verdrängen.

Ich bin nun also infiziert, nach bald zwei Jahren Pandemiemanagement ohne medizinische Expertise. Es begann mit einem morgendlichen Kratzen im Hals. Nach der vierten Stunde an diesem Donnerstag – Geschichte Klasse 12 – war mir klar, dass ich extrem schnell etwas ausbrüte. Heißer Kopf, Halsschmerzen, Unwohlsein. Schnellstmöglich nach Hause. Bereits zu diesem Zeitpunkt ahnte ich, dass es wohl die Scheiß-Seuche sein müsste, angesichts der raschen Entwicklung meiner Symptome. Zwei Schnelltest aus Schulbeständen zeigten zunächst ein negatives Resultat, worauf ich doch wieder auf die Theorie einer üblichen Erkältung verfiel. Erst spät am Donnerstag-Abend – zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits 38,8 Fieber und heftige Kopfschmerzen – zeigte sich eine blasse rote Linie, nur im hellen Licht sichtbar, auf dem Kästchen. Ab da war klar, was ohnehin schon lange klar war. Klar war auch, dass ich schon lange unentdeckt infektiös für andere durch unsere Schulgemeinschaft gerannt bin.

Zweifeln Sie eigentlich manchmal an ihrer brillianten Teststrategie? Ist Ironie noch in Ordnung? Zweifeln Sie überhaupt bei sich im Haus?

Am Mittwoch der vor meiner Infektion liegenden Woche hatte ich im Rahmen einer Gesprächsrunde zwischen Personalrät*Innen und Mitarbeiter*Innen des Regierungspräsidium Stuttgarts versucht, dem Amtszimmerbereich zu erklären, was den Schulen bisher angetan wurde. Weil ich dachte: „Die verstehen das bisher gar nicht, sie würden es sonst nicht tun.“ Ich schilderte die grauen Gesichter der jungen Menschen, die um sich greifende Depression, die Angst vor der Infektion, das ständige Leben mit Furcht, weil man weiß, dass über all um einen Menschen dicht an dicht sitzen, die mit einem potentiell tödlichen Virus infiziert sind. Man ließ mich höflich ausreden.

In der Folge erklärte mir ein alter, weißhaariger Mann, dass wir alle durch schwierige Zeiten gehen und dass ich mir sicher sein könne, dass jede Entscheidung bezüglich der Schulen eine verantwortungsvolle Einzelfallentscheidung darstelle, in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung, zum Besten aller Beteiligten im Fall, wir müssten nun zusammenstehen, verantwortungsvoll, zum Besten aller Beteiligten, in Einzelfällen.

Sie verstanden es nicht.

Von Verantwortung kann ich bei Ihnen und den Ihnen unterstellten Entscheidungsträgern keine Spur erkennen. Ihre Verantwortung wäre es, mich als Landesbeamten vor der Infektion mit einer potentiell tödlichen Krankheit zu schützen. Ihre Verantwortung wäre es, Kinder und Jugendliche, sowie deren Familien, vor einer potentiell Langzeitschäden erzeugenden Krankheit zu schützen.

Sie aber pferchen uns zusammen. Mit Schnelltests, die die meisten Infektionen nicht oder viel zu spät entdecken und einem Lüftungskonzept, das angesichts der Verhältnisse an Schulen, schon immer hochgradig lächerlich und entlarvend war.

Frau Schopper, stehen bei Ihnen im Haus Luftfilter herum? Und: Wie sehr schämen Sie sich dafür?

Drei Tage nach meinen ersten Symptomen klang das Fieber wenigstens tagsüber ab und kam Abends heftig wieder. Mein PCR-Test am Freitag-Abend blieb vier Tage lang unbearbeitet, weil Land und Bund mit Ansage – wie schon so oft – nicht auf errechnete Entwicklungen reagieren wollten. Die Inzidenz in der Altersgruppe der jungen Menschen geht in der Omikronwelle durch die Decke, die KMK-Vorsitzende faselt von Lockerungen und handwedelt versterbende Kinder als Bagatellvorkommnisse aus der Diskussion. Junge Menschen, die sich gegen den von Ihnen betriebenen Wahnsinn organisieren, werden ignoriert und in Talkshows verunglimpft. Täglich erkranken wir in den Schulen, während Sie nichts Relevantes dagegen tun. Wollen?

Warum musste ich unbedingt erkranken? Was bringt das Ihnen? Dem System? Der Gesellschaft, oder was alte weiße Menschen in Amtszimmern dafür halten? Ich sehe keinen Mehrwert für uns in Ihrem passiven Laufen lassen der Infizierung breiter Bevölkerkungskreise über den Hotspot Schule. Ist das praktizierter Sadismus? Macht es Ihnen Spaß, wenn wir Beamt*Innen, Schüler*Innen, ganze Familien an diesem Virus erkranken?

Ich verstehe Sie nicht. Geld kann es doch nicht sein. Oder? Oder?

Mittlerweile (der zweite Krankheits-Samstag) hat sich meine Covid-Infektion in eine heftige Verschleimung der Bronchen umgewandelt. Mein Husten ist bellend und gequält, seit heute – Tag 9 – wird er etwas besser. Ich bin Asthmatiker und habe Angst, dass etwas in meiner Lunge bleibt, mir die Fitness raubt, die Luft zum Atmen. Ich war früher gerne mal aktiv im Freien unterwegs.

Sie in Ihrer Verantwortung für die Ereignisse drücken uns diese Luft zum Leben ab. Warum? Warum tun Sie das?

Sie traten einmal als GRÜNE an. Ich kann ihr Handeln, das jedem humanistischen Ideal widerspricht, beim besten Willen nicht mit den Sonntagsreden Ihrer Partei in Einklang bringen. Warum tun Sie das? Warum tun Sie das uns an?

Das Gesundheitsamt hat sich bei mir nie gemeldet, meine Kontakte, die ich infiziert haben könnte, sind wohl für das Handling der Lage uninteressant. Nein, natürlich sind sie nicht uninteressant, aber auf Entwicklungen im Infektionsgeschehen gezielt zu reagieren, ist möglicherweise zu anstrengend geworden. Und 200 Tote am Tag sind aus der Sicht der herrschenden Gesundheitspolitik wohl kein schlechter Preis. Die meisten sind ja alt und vorerkrankt, können also weg. Oder jung, dann stirbt man eben „mit,“ aber gottseidank nicht „an.“

Ist Sarkasmus eigentlich ok?

Wie immer werden Sie nicht antworten. Alleine, weil Ihre PR-Abteilung Ihnen dazu rät. Wie immer werden Sie sich hinter Ihren großzügigen Amtszimmern, Ihren beschlusslosen Online-Konferenzen mit den Kolleg*Innen anderer Länder, Ihren von Steuergeldern angeschafften Luftfiltern verstecken und in Ihren Gedanken Wortblasen über verantwortungsvolle Einzelfallentscheidungen aufsteigen lassen.

Nur wir, wir an der Infektionsfront, wir erkranken massenhaft. Wir sind kein Einzelfall. Und Sie treffen Entscheidungen, die uns schaden.

Frau Schopper, als meine Dienstherrin rufe ich Ihnen zu: Drehen Sie endlich Ihren Pandemiekurs in die Richtung, die Virologen empfehlen. Hören Sie auf, sich mit Schwurblerinitiativen zu treffen. Verhindern Sie, dass es noch mehr Leuten ergeht, wie es mir seit 9 Tagen ergeht. Es wäre Ihre Pflicht.

Hochachtungsvoll mit höflichen Grüßen

Achim Vetter

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1 Kommentar

  1. Pointiert geschrieben, allein: Es wird nichts ändern.
    Zum Selbstschutz und mit der Hoffnung auf entsprechende Medienpräsenz und danach vielleicht zarten Änderungsversuchen nur erfolgversprechend:
    Generalstreik aller in D beschäftigten Pädagog*innen und anderen Mitarbeiter*innen im Bildungssystem.
    Sofort. Macht die Schulen zu!

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